Wampenbringende Weihnachtszeit

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Am heiligen Abend tunken wir verschiedenes Fleisch in Fett – Lecker

Am 23.12. erwachte ich um sieben. Unfreiwillig. Von meinem Funkwecker. Ich hatte frei, aber Weihnachten wollte nun endlich anfangen und bat mich, ihm frühzeitig entgegen zu reisen. Wenn schon das königliche Trio vor mehr als 2000 Jahren den Weg zum Stall der Erleuchtung fand, sollte ich jawohl zumindest in der Lage sein, ganz diszipliniert die siebenhundert Kilometer zu der Stätte hinter mich zu bringen, an der ich damals, an meinem ersten Tag, von keinem grellen Stern geblendet wurde, sondern vom kalten Neonlicht eines ganz gewöhnlichen Kreißsaals. Wie bei Nicht-Heiländen üblich. Nachdem ich also frisch geschniegelt und gebürstet meinen Wagen voll geladen und, dem Anlass entsprechend, pflichtgemäß an alte Weiber gedacht hatte, war ich um halb neun auf der freien Bahn. Mein rechter Fuß trat mich in Rekordzeit und erstaunlicherweise ohne Vorweihnachtsstockungen gen Norden. Am frühen Nachmittag erreichte ich mein Ziel. Ich war daheim.

Zuhause hatte ich heuer die Adventszeit ausgelassen. Keine Tannen, keine Kerzen, keine Kugeln, keine Weihnachtsmusik und: keine Lebkuchen. Nix. Am zweiten Advent hatte ich bei strahlendem Wetter sogar noch eine diätische Bergwanderung unternommen. Winteranfang war schließlich erst am Einundzwanzigsten. Und Weihnachtsanfang drei Tage später. Pedanten wenden jetzt ein, das es genau genommen vier Tage sind, denn schließlich ist der Fünfundzwanzigste der „erste“ Weihnachtstag. Der Tag davor ist ja nur der heilige Abend, nicht mehr und nicht weniger. Danke, liebe Pedanten. Zur Kenntnis genommen. Für mich bleibt er der nullte Weihnachtstag. Aber egal, jedenfalls fiel die Weihnachtisierung bis zu meiner Abreise aus. Im Auto lullte Sarah McLachlan mir die ersten Hinweise auf das große Fest entgegen.

Mit meiner Ankunft im Norden begann sowohl die sensorische als auch die nutritive Herausforderung. Weihnachten begrüßte mich ungeduldig mit der vollen Dröhnung. Es duftete. Es schmeichelte meinen Augen. Es tönte in meinen Ohren. Es schmeckte wunderbar. Es fühlte sich einfach rundum gut an. Überall Kerzen, Lichterketten, Engel aller Rassen. Radio Niedersachsen schickte die gesamte Schlagerbaggage ins Rennen. Wenn Roger Whittaker „Oh Tannenbaum“ quäkt, weigert sich sogar Shazam, dies als Musik anzuerkennen. Aber das gehört dazu. Torte mampfend sog ich alles in mich auf. Prächristmassale Reizüberflutung. Ich rief mich zur Räson: Denk dran, dass dir noch ein Geschenk fehlt, das du all die guten Gaben noch einpacken musst. Dann die Chronologie der Ernährung: Fondue, Weihnachtsgans, Lachsseite, Dry-Aged-Porterhouse, Hirschbraten. Und dazwischen in regelmäßiger Abfolge Kuchen, Kekse, Lebkuchen. Schmausend blicke ich nun immer wieder auf das riesige goldene Paket am Weihnachtsbaum. Ich weiß, das ist für mich. Manche Überraschungen müssen vorher abgestimmt werden. Befriedigt durch mein Wissen, greife ich skrupellos in die Lebkuchenschüssel, denn in besagtem Paket wartet ein Rudergerät darauf, die Auswirkungen der Weihnachtsvöllerei mit meiner körperlichen Unterstützung zu bekämpfen.

Aber bis dahin ist noch Zeit. Erstmal kommt morgen die Lachsseite dran. Weihnachten ist Familie. Familie ist Geselligkeit. Geselligkeit ist Essen. So ist der Lauf der Dinge. Und ich hoffe, dass die Dinge nicht irgendwann keuchend stehen bleiben. Lauft weiter, liebe Dinge.

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Ho-Ho-Hoch auf die virtuellen Märkte

O du Fröhliche
O Du besinnliche Vorweihnachtszeit

Ich war am Sonnabend einkaufen. Gezielt. Ohne Stöbern. Und es ging noch nicht mal um ein Weihnachtsgeschenk. Ich war zum Essen eingeladen und hatte einen Gastgeschenkgeistesblitz, so dass ich ganz gezielt losziehen konnte. Darob gut gelaunt stieg ich in mein Auto, fuhr in die Innenstadt und enterte das Parkhaus des Einkaufszentrums, in dem sich alle Geschäfte tummeln, die Geschenkejäger fette Beute riechen lassen. Sorgenfrei fuhr ich bis ganz nach oben, sicher, aufgrund des Detailwissens um meine Kaufabsichten schnell wieder raus zu sein. Erste dunkle Gedanken umnebelten meinen Optimismus, als sich die Parkplatzsuche selbst hier ganz oben schwierig gestaltete. Aber ich hatte Erfolg, und hurtete direkt zum Buchhandel meines Vertrauens.
Auch hier herrschte ein waberndes Gewimmel, durch das ich mich jedoch nicht beirren ließ. Gezielt spurtete ich zu den Bestsellern, denn um einen solchen handelte es sich bei dem Objekt meines Kaufwunsches. Doch ach, ich fand es nicht. Langsam bröckelte meine wenn schon nicht vorweihnachtliche dann immerhin doch samstägliche Wochenendlaune. Denn ich brauchte Beratung. Die Schlange war lang. Die Mehrheit der Bürger meiner Stadt geht direkt zum Berater, ohne sich vorerst selbst um die Suche zu kümmern. Oder besser die Suchen, denn mindestens vier Artikel standen auf den Wunschzetteln ihrer Lieben.
Verdrossen harrte ich aus, bis der nette junge Mann mich anlächelte. Ich legte ihm meinen Wunsch dar und er wuselte los, fand das Wunschbuch erst nicht, obwohl es ja ein Bestseller war. Doch dann kam er strahlend mit dem Wälzer zurück. Ich hatte mich gewieft schon in die Kassenschlange gestellt. Es gab zwei Kassen. Eine war besetzt – allerdings mit zwei Personen. Einer Profiin und einer Auszubildenden, der schließlich erst einmal alles erklärt werden musste. An dieser Stelle möchte ich nüchtern anmerken, dass es sich um den dritten Adventssonnabend handelte.
Aber auch diese Verzögerung führte irgendwann zum ersehnten Erfolg. Erstaunlicherweise kam ich beim Alsgeschenkeinpacken sofort an die Reihe. Nun, das liegt vielleicht an meiner Unhöflichkeit, ein Buch sofort einschlagen zu lassen, ohne vorher eine Widmung hineinzuschreiben, wie es sich eigentlich gehört. Im Nachhinein ist mir das unangenehm, aber das ist eine andere Geschichte. Ich hatte nun meine Tüte mit alsgeschenkverpacktem Buch meiner Wahl in der Hand und stapfte durch das lebendig gewordene Wimmelbild zum Parkautomaten. Parkmünze rein. Heute freies Parken. Frage: Warum dann die Parkmünze? Antwort zehn Minuten später: Das Parkhaus war für weitere Besucher aufgrund der Überbelegung geschlossen. Niemand kam rein. Und raus. Letzteres würfelte meinen engen Terminplan vollends durcheinander. Aufgrund der Parkmünzen und der dazugehörigen Schranken geriet ich in einen pikanten Stau im 45%-Gefälle. Nichts ging mehr. Eine Generation später war ich endlich draußen und als alter Mann kehrte ich durch den gestauten Verkehr nach Hause zurück.

Warum ich das alles berichte? Nun, ich erlaube mir zu summieren: Hinfahrt: 15 Minuten, Parkplatzsuche: 10 Minuten, Parkmünze erstehen: 5 Minuten, Warten auf den netten Mann: 10 Minuten, Warten an der Kasse: 10 Minuten, Alsgeschenkeinpacken: 5 Minuten, Parkmünze freischalten: 5 Minuten, Parkhausstau: 35 Minuten, Heimfahrt: 25 Minuten. Macht in Summe: 120 Minuten, in Worten: zwei Stunden.

Zuhause fiel mir noch ein Buch ein, diesmal als Weihnachtsgeschenk. URL eingegeben, Buchtitel in die Suche, One-Click-Shopping, Bestellbestätigung. Zeitbedarf: vier Minuten. O Du Fröhliche! Wenn die lächelnden Buchhändler wenigstens Glühwein ausgeschenkt oder zumindest Plätzchen gereicht hätten. Hatten sie aber nicht.