Der Osterhase meldet sich zu Wort – ein Interview

iStock_000004079250Small

Der Traum eines jeden Journalisten wurde wahr. Am Sonnabend vor Ostern traf ich den Osterhasen zu einem Exclusiv-Interview im Wald. Lesen Sie hier das ungeschnittene Interview über ausgeklügelte Logistiklösungen, Glaubensfragen und den Schlankheitswahn:

Garlaban: Herr Hase, es freut mich, dass Sie sich die Zeit für dieses kleine Exclusiv-Interview nehmen. Aber wie schaffen Sie das, gerade in der Go-Live-Phase Ihres alljährlichen Projektes derlei Termine wahrzunehmen?

O. Hase: [streicht sich süffisant über das Barthaar] Nun, das ist alles eine Frage der Logistik. Ein ausgeklügeltes System. Tut mir leid, dass ich gleich am Anfang dieses Gespräches eine Antwort aus Geheimhaltungsgründen ablehnen muss, aber Sie wissen ja, die Konkurrenz schläft nicht.

Garlaban: Ja, der Weihnachtsmann. Aber offen gesagt sehen Sie im Vergleich zu ihm recht ausgemergelt aus. Hat der Weißbärtige sein Geschäft besser im Griff?

O. Hase: „Economies of Scale“* ist hier das Stichwort. Schauen Sie mal, er bringt nicht nur Eier, sondern Geschenke von manchmal nahezu unschätzbarem Wert. Das erhöht natürlich seine Popularität und aufgrund der höheren Margen auch sein Investitionspotenzial. Der Mann in Rot verfügt über eine Armee von Wichteln, die ihm zur Hand gehen. Dazu kann er sich ganz andere Fortbewegungsmittel leisten. Beim neuesten Reindeer GTI tränen mir schon vor Neid die Augen. Sein System ist perfekt organisiert, da greift ein Rädchen ins andere.

Garlaban: Höre ich da eine gewisse Verbitterung heraus?

O. Hase: Ich kann nicht verleugnen, dass mein Geschäft sich eher suboptimal entwickelt.

Garlaban: Inwiefern? Glaubt niemand mehr an den Osterhasen?

O. Hase: Daran liegt es nicht. Ganz im Gegenteil, auch der Weihnachtsmann profitiert eher vom Kommerz. Man muss nicht glauben, um sich reich beschenken zu lassen. Nein, es liegt eher am Produkt. Sehen Sie, ich transportiere Eier. Hühnereier, Schokoladeneier, Geleeeier, Fondanteier und und und. Aber da gibt es eine globale Bewegung, die mir mit geschliffen rhetorischer Propaganda das Geschäft verdirbt.

Garlaban: Sie meinen die Lean Generation.

O. Hase: Ganz recht. Dieser Schlankheitswahn ist eine Katastrophe. Kennen Sie die WeightWatchers? Diese Fanatiker belegen all meine Produkte mit Strafpunkten. Je süßer das Ei, desto höher die Punktzahl. Selbst Hühnereier werden zwar großzügig „gesunde Sattmacher“ genannt, aber auch dieses Naturprodukt wird angezählt. Das macht der Branche schon sehr zu schaffen. Und es werden immer mehr.

Garlaban: Aber kann Qualität nicht der Schlüssel sein, dieses Problem zu überwinden?

O. Hase: Hin und wieder werden bei feinstem Lübecker Marzipan oder altem XO-Cognac auch die härtesten Revoluzzer mal schwach, dann schlägt meine Stunde. Aber das rettet nicht die Situation. Besonders die Uhus sind hartnäckig. Vom Aussterben bedroht – dass ich nicht lache.

Garlaban: Uhus?

O. Hase: Ja. Diese Standvögel sind unerbittlich. Sie vertreten die Ansicht, sie hätten mit weniger als hundert Kilogramm Körpergewicht bereits viel erreicht und fühlen sich als etwas Besseres. Sie sind leichter, wendiger und unberechenbarer als der Rest der Bewegung und verweigern sich jedweder Konsumhaltung, um ihre Position zu wahren.

Garlaban: Können Sie da mit ihren schlanken Strukturen nicht gegenhalten?

O. Hase: Ich weiß, worauf Sie hinaus wollen. Ich bin schnell, drahtig, topfit und muss mich nicht auf Reindeers und schwere Schlitten verlassen. Mir reichen meine Läufe und ein Weidenkorb auf dem Rücken. Wäre ich Mitglied der Schlankeitsbewegung, würde das sogar meine Konsumquote aufgrund ausgeklügelter Bonussysteme erhöhen. Aber was bringt mir das? [zögert] Was haben Sie da eigentlich in Ihrer Tüte?

Garlaban: [errötet] Klamotten. Ich war heute Einkaufen und habe mir Hosen gekauft, da die alten nicht mehr passen. Von 40 auf 36, zwei Größen runter.

O. Hase: Da haben Sie’s. Trage ich Kleider? Wäre ich fülliger, wäre das allen egal. Ich würde sogar noch als niedlich bezeichnet werden. Aber bei Euch Menschen ist das anders. Und hier sind wir auch schon wieder beim Wettbewerber. Der dicke Mann mit dem weißen Bart muss sich nicht um die Abnehmerbewegung scheren. Statt Süßigkeiten liefert er dann eben die besagten Hosen aus. Ich habe nur meine verpönten Eier.

Garlaban: Welche Strategien entwickeln Sie, um diese Krise zu meistern?

O. Hase: Der einzige Weg führt über die Diversifizierung. Wir müssen umdenken. Wir forschen nach neuen Produkten, die von der Bewegung unangetastet bleiben und trotzdem in unsere logistische Gutstruktur passen. Eierpflaumen sind momentan ein Schwerpunkt unserer Entwicklung. Wir arbeiten daran, mehrfarbige Exemplare mit optimaler Rundung zu züchten. Auch mit Tomaten und Paprika gehen wir diesen Weg. Knackpunkte sind die eingeschränkte Haltbarkeit und die hohen Anforderungen an eine qualitätssichernde Lebensmittellogistik.

Garlaban: Herr Hase, ich danke für das Gespräch und wünsche Ihnen alles Gute für Ihren Forschungs- und Entwicklungsbereich.

O. Hase: Lassen Sie mich an dieser Stelle noch darauf hinweisen, wie gesund Eier sind. Geben Sie sich einen Ruck. Frohe Ostern!

Ein Gedanke zu “Der Osterhase meldet sich zu Wort – ein Interview

Hinterlasse einen Kommentar